born this way

Doppelte Staatsbürgerschaft – Mehrstaatigkeit

Ich besitze zwei Staatsangehörigkeiten – die deutsche und die iranische – und das schon vor der Gesetzesänderung im Jahre 2014. Iraner bzw. Halbiraner, die im Ausland leben, haben meist gezwungenermaßen eine doppelte Staatsbürgerschaft, da der Staat Iran Staatsbürger nur in Ausnahmefällen aus der Staatsbürgerschaft entlässt. Die Staatsangehörigkeit wird gemäß dem Abstammungsprinzip an die nächste Generation vererbt, allerdings nur durch den Vater, da er als Mann einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert besitzt, als eine Frau, die die Staatsbürgerschaft nicht vererben kann. Somit kann ich, selbst wenn ich es wollte, meine iranische Staatsbürgerschaft nicht hergeben und kann sie aber als Frau auch nicht an meine Nachkommen weitervererben. 

Und all das, obwohl ich Deutsche bin und niemals auch nur annähernd Iranerin war. Dort bin ich eine Ausländerin, kleide mich anders, spreche die Sprache wenig bis schlecht und fühle mich in der Kultur nicht zuhause. Deutschland – Emmendingen –  ist meine Heimat. Hier bin ich aufgewachsen und spreche meine MUTTERsprache. Doch der Iran sieht das anscheinend anders und hat wohl auch das Recht, über meine Identität zu bestimmen. Über meinen und viele andere Köpfe hinweg wurde bestimmt, dass ich Halb-Halb bin. Halb-Deutsche, Halb-Iranerin, obwohl ich das gar nicht bin! Oder doch? Ich bin mir nicht sicher, aber ich wurde auch nicht gefragt. Mit der Installation „Born this way“ habe ich mich mit dieser Thematik beschäftigt und die Problematik visualisiert.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Artikel 3. (1) „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“

Dieser Artikel ist im deutschen Grundgesetz zu lesen. In der iranischen Verfassung gibt es einen solchen Artikel nicht. Auch die Pressefreiheit ist gesetzlich massiv eingeschränkt. Diese Verfassung wurde durch das Regime 1979 eingeführt und stützt die theokratische Staatsform, in der der Religionsführer in oberster Machtposition den Staat anführt. Das heißt konkret, dass im Iran nicht alle Menschen gleich sind, denn die Gesellschaft ist streng patriarchalisch aufgebaut. Viele emanzipatorische Neuerungen, die der Schah Mitte des 20. Jahrhunderts einführte, wurden durch das Regime rückgängig gemacht und so kann man die Unterdrückung der Frau und ihren niedrigeren Stellenwert in der Gesellschaft schon am Aussehen erkennen, denn die Frau muss sich verhüllen. Im heutigen Iran ist vieles anders als in Deutschland, denn für alles muss die Zustimmung des nächsten männlichen Verwandten oder Ehemannes eingeholt werden. Für Frauen gibt es viele Verbote, beispielsweise dürfen sie nicht alle Berufe ausüben (laut islamischem Gesetz dürfen Frauen nicht als Richterinnen arbeiten, da sie durch ihre „unreine“ Menstruation und den damit verbundenen Hormonschwankungen nicht richtfähig seien).

 

Mit all diesem Wissen im Hinterkopf hatte ich von klein auf ein anderes Verhältnis zum Begriff „Freiheit“ als viele meiner deutschen Freunde. Mir war schon immer bewusst, dass mein Leben auch anders hätte aussehen können und dass nur mein Geburtsort darüber entschieden hat. Ich habe nichts dazu beigetragen, dass ich nun in einem Land leben darf, welches mir alle Freiheiten lässt, zu sagen, was ich will, zu tun, was ich will, zu werden, was ich will und zu lieben, wen ich will. Dafür bin ich dankbar, denn das alles ist im Iran nicht erlaubt – besonders für mich als Frau. Durch dieses Kunstwerk werde ich vermutlich auch nicht mehr in den Iran ein- bzw. ausreisen dürfen, zumindest nicht mit dem jetzigen Regime an der Macht. Doch all das muss gesagt und gezeigt werden. 

Iran Henley Passport Index 2019: Ranking 99
Deutschland Henley Passport Index 2019: Ranking 2

Dem offiziellen Henley Passport Index zufolge, nach welchem die Reisefreiheit von Staaten und Territorien der Welt in eine Rangfolge katalogisiert werden (letzter Stand 01.10.2019), steht Deutschland auf Rang 2 (Staatsbürger können in 188 Länder visafrei reisen) und Iran auf Rang 99 (Staatsbürger können in 40 Länder visafrei reisen).

„The holder of this passport is not entitled to travel to occupied Palestine“ 

Da der Iran Israel nicht als legitimen Staat anerkennt, ist es dem oder der Besitzer*in des iranischen Passes nicht gestattet dorthin zu reisen. Selbst das Wort „Israel“ wird nie in diesem Zusammenhang erwähnt, denn selbst das wäre ein Zuspruch. So wird von iranischer Seite nur von „occupied Palestine“ also „besetztes Palästina“ gesprochen.

Origamikranich

Aus den Seiten meines jeweiligen Passes habe ich Origamikraniche gefaltet, die – je nach Staatsangehörigkeit – sich frei bewegen können oder durch den Staat flugunfähig gemacht wurden. Eine alte japanische Legende besagt, dass denjenigen, die 1000 Origamikraniche falten, ein Wunsch gewährt wird. Ketten aus 1000 Kranichen werden oft für schwerkranke Freunde gefaltet, mit dem Wunsch nach baldiger Genesung.