Herbst 2016 – Berlin
An diesem Tag ging einfach alles schief. Ich
hatte meine Tage und so unerträgliche Schmerzen, dass ich nicht zur Arbeit gehen
konnte. Morgens konnte ich noch nicht einmal aufstehen und blieb den halben Tag
schmerzgekrümmt im Bett. Nachdem ich es nachmittags endlich geschafft hatte,
mir ein Frühstück zu machen, vergaß ich natürlich prompt, den gefrorenen
Beerenmix für meinen Smoothie wieder ins Gefrierfach zu stellen. Stunden später
war alles voll schmieriger roter Pampe. Es sah aus, wie das, was gegenwärtig
auch mein Körper aussonderte.
Ich musste mich ablenken, damit der Schmerz
nicht überhandnahm. Zuerst natürlich Instagram checken. Die Feministin Melanie
Michelberger postete just in meinen schlimmsten Stunden einen Beitrag mit den
Worten „I have a dream that maybe one day women’s magazines will write as much
about our periods as about makeup styles.“ Aus aktuellem Anlass klickte ich
mich durch die dazugehörigen Hashtags:
#freetheperiod
#noshame
#periodsisters
#freebleeding
Man bzw. frau ist es eigentlich gewohnt, nicht öffentlich und wenn, dann nur
mit Freundinnen über die Menstruation zu sprechen und natürlich die ekligen
Details auszulassen, doch was ich hier sah war eine Bewegung von Frauen, die
sich nicht verstecken wollten (#noshame). Eine Bewegung von Frauen, die auf das
Blut, das aus uns allen einmal im Monat heraustropft, aufmerksam zu machen
(#freetheperiod). Und Frauen, die genau dieses Blut einfach laufen ließen, als
wäre nichts dabei (#freebleeding). All diese Frauen taten genau das, was fast alle
Frauen jeden Monat tun, doch sie taten es öffentlich, was in fast jeder
Gesellschaft dieser Erde auch noch im 3. Jahrtausend ein großes Tabu ist. Und
plötzlich wollte ich mich auch so frei wie sie fühlen!
Also begann ich zu zeichnen. Ich hatte das Bedürfnis
meinen Schmerz visualisieren zu müssen. Im Mittelpunkt die Frau und der Schmerz
– schwarz auf weiß – die rotverschmierte
Beerenverpackung das einzige Farbelement.
Das Thema Menstruation steckt noch in den
Kinderschuhen und es muss noch einiges passieren, dass die Gesellschaft im
Hinblick auf die Periode der Frau sensibilisiert wird. Noch immer geht ein
Aufschrei durch die (Medien-) Welt, wenn in einer Bindenwerbung zum ersten Mal
eine rote Flüssigkeit, statt einer blauen, zu sehen ist. Mit dem Slogan „periods
are normal showing them should be too“ feiert die Damenhygienemarke „libresse“
mit ihrer neusten Werbekampagne die Periode der Frau. Und im Video ist nicht
nur eine Frau zu sehen, die unter der Dusche ihr Blut laufen lässt, sondern
auch ein cooler Typ, der nachts in einer amerikanischen Großstadt für seine
Freundin besagtes Hygieneprodukt kauft. Ein anderer ist als Binde verkleidet.
Sie alle nehmen die Periode so, wie sie ist. Auch die Künstlerin Liv Strömquist
schockierte die Stockholmer Pendler diesen Herbst, als eines Morgens ihre
cartoon-haften Zeichnungen von menstruierenden Frauen in der U-Bahn hingen. Mit
den Worten „It’s alright (I’m only bleeding)“ sitzt ein Mädchen mit roten Fleck
im Schritt bereitbeinig da und die Reaktionen waren breit gestreut.
Seitdem hat sich mein Verhältnis zu meiner
Menstruation verändert. Sie ist ein Teil von mir, denn sie ist ein Teil der
Evolution. Nur durch die weibliche Periode wurde der Fortbestand der Menschheit
Jahrhundert um Jahrhundert gesichert. Mit besagtem Blut an Wände zu malen, ist
nicht mein Geschmack, aber Menschen darüber aufzuklären ist wichtig. Auch mit
Männern darüber zu sprechen ist wichtig und meist fallen die Reaktionen auf das
Thema positiv aus. Denn Männer können nicht nachvollziehen, wie es ist, einmal
im Monat ca. 60 ml Blut zu verlieren und ständig abhängig von den Hormonen des
Zyklus zu sein. Das heißt aber nicht, dass sie nicht verstehen wollen, was mit
uns passiert. Der moderne, gleichberechtigte Mann ist meiner Erfahrung nach
nicht angeekelt oder will das Thema wechseln, sondern meist etwas unsicher,
aber doch interessiert.
Auch ich kann nur dazu aufrufen, die eigene
Scham zu überwinden und offen mit dem Thema umzugehen. Man muss nicht gleich
mit vollgebluteten Höschen einen Marathon laufen wie unter anderem die
Studentin Kiran Gandhi in London 2015, aber man sollte sich niemals schämen
müssen darüber zu reden. Jede Frau erlebt ihre Menstruation anders und das muss
die Gesellschaft akzeptieren.